Rückblick

F. Hiller, Die Zerstörung Jerusalems

Sonntag, 26. August 2018
Kath. Christkönigkirche Westerburg

Ferdinand Hiller (1811-1885)
„Die Zerstörung Jerusalems“
Oratorium nach der heiligen Schrift, op.24

Jana Reiner (Berlin), Sopran
Stefanie Schaefer (Frankfurt), Alt
Bernhard Schneider (München), Tenor
Wolf Matthias Friedrich (Vogtland), Bass

Neues Rheinisches Kammerorchester Köln in sinfonischer Besetzung
Vox Humana Ensemble
Dekanatskantor Christoph Rethmeier

Jubelrufe beenden Ferdinand Hillers Oratorium

Dekanatskantor Christoph Rethmeier präsentiert eine musikalische Rarität

Dekanatskantor Christoph Rethmeier ist jemand, der seine Aufgabe mehr als ernst nimmt. Er scheint immer wieder nach den Sternen zu greifen – und sein Vox-Humana-Ensemble zieht mit. Einmal mehr erhielt der Chor des Evangelischen Dekanats Westerwald, dem überwiegend Sängerinnen angehören, innigen Dank dafür: Mit Jubelrufen und langen Ovationen endete das Konzert, das „Die Zerstörung Jerusalems“, ein Oratorium von Ferdinand Hiller, beinhaltete.

Schon die Vorgeschichte dazu ist Seiten füllend. 1840 wurde das Werk in Leipzig zum ersten Mal aufgeführt Es erhielt in Europa viel Beifall, wurde dann aber mehr als 100 Jahre lang nicht mehr gespielt, bis es 2011 in Leipzig eine Wiederaufnahme fand – und nun, 2018, auch in Westerburg, in der katholischen Christkönig-Kirche. Rethmeier hat intensive Nachforschungen dafür betrieben.

Seine musikalischen Mitstreiter waren das Neue Rheinische Kammerorchester Köln in sinfonischer Besetzung sowie die·Solisten Jana Reiner (Sopran), Stefanie Schaefer (Mezzosopran), Bernhard Schneider (Tenor) und Wolf Matthias Friedlich (Bass). Infos zu ihren beeindruckenden musikalischen Lebensläufen waren dem gelungenen, umfangreichen Programmheft zu entnehmen.

Das Oratorium beginnt, und gleich ist man mittendrin im Geschehen. Die Stimmen des Chors und des Orchesters verbinden sich zu einem Ganzen. Triumphale Klänge mischen sich hinein. Sie bilden ein Thema, das noch mehrmals aufgenommen werden wird. Wir befinden uns im Jahre 586 vor Christus, der babylonische König Nebukadnezar II. will Israel erobern. Der Prophet Jeremia warnt davor und wünscht sich, dass die Israeliten zum rechten Glauben zurückfinden. Das nachzuvollziehen fällt den Israeliten wohl genauso schwer wie den heutigen Rezipienten, wenn sie alleine auf den Text bauen, den Salomon Ludwig Steinheim für das Oratorium verfasste. Denn der ist·voller Gläubigkeit, Demut und Bitte um Errettung. Doch der Prophet erkennt in den·Israeliten Abtrünnige. Friedrich gibt Jeremia seine Stimme, warnt, predigt und drückt sein (Mit-)Leiden aus. Seine charismatische Stimme kommt gut an. „Schön“, flüstert eine ältere Zuhörerin ins Ohr ihrer Nachbarin.

Begriff und Klang werden häufig zu Synonymen. Wenn der Chor von „Zorn“ singt, ist das zu hören wenn kurz darauf von „schwach“ die Rede ist, werden die Töne sehr zart. Disharmonie wiederum ist das Ausdrucksmittel bei „Heuchelei und Verrat“. Es überrascht, wie dynamisch hier mit Lautstären umgegangen wird – beispielsweise wenn die Sopranistin als Arioso auftritt.

Nach dem raschen Wechselbad der Gefühle tut es gut, den Chor der Israeliten sanft und wogend von Hoffnung oder als Diener Zedekias mitreißend triumphierend singen zu hören. Souverän meistern auch Schaefer und Schneider ihre Parts. Fast wie ein Liebeslied, das Franz Schubert gefallen hätte, klingt es, wenn der „fromme Israelit“ von seiner aufkeimenden Hoffnung singt. Das Oratorium ist voller Dramatik und Pathos. Rethmeier und die Musiker führen das Publikum durch Angriff und Entsetzen auf der israelitischen Seite und den grausamen Stolz der babylonischen Krieger auf der anderen Seite. Kaum aber ist Verlust und Elend da, keimt schon die Hoffnung auf Jehova, der „ewig thronen wird“.

Die Veranstaltung war ein Höhepunkt musikalischen Wirkens im Westerwald, das steht fest. Die vielen Besucher drückten ihre Begeisterung deutlich aus. Auch die Auseinandersetzung mit dem Stück, seiner Musik wie seiner Botschaft ist eine wertvolle Bereicherung. Und es steht bereits ein weiterer verheißungsvoller Termin fest: Christoph Rethmeier kündigte·für Sonntagabend, 14. April 2019, die Aufführung von Bachs „Markus­Passion“ in Höhn an.

Tatjana Steindorf, Westerwälder Zeitung 29.08.2018

"Die Zerstörung Jerusalems" Konzert August 2018

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Fotos: Röder-Moldenhauer
© Vox Humana Ensemble