…und Frieden auf Erden…
Sinfonisches Chorkonzert im Gedenken an den Beginn der Weltkriege vor 75 und 100 Jahren
Sonntag, 16. November 2014
Kath. Christkönigkirche Westerburg
Wolfgang Amadeus Mozart „Maurische Trauermusik“ KV 477
für Orchester
Dietrich Lohff „Requiem für einen polnischen Jungen“ nach Texten von Opfern des Faschismus (1997)
für Mezzosopran, Knabenstimme, Chor und Orchester
Gabriel Faure „Messe de Requiem“ op.48
für Sopran- und Baritonsolo, Chor und Orchester
Gustav Mahler „Urlicht“ aus „Des Knaben Wunderhorn“
für Mezzosopran und Orchester
Julia Borchert, Sopran
Margit Diefenthal, Mezzosopran
Knabensolist der Limburger Domsingknaben (Einstudierung Wilhelm Gries)
Rolf A. Scheider, Bass
Anna Söhngen, Textrezitation
Neues Rheinisches Kammerorchester in sinfonischer Besetzung
Vox Humana Ensemble
Dekanatskantor Christoph Rethmeier
…und Frieden auf Erden…
Konzert erinnert an Beginn der Weltkriege
Dekanatskantor Christoph Rethmeier gelingt ein Gesamtkunstwerk – Publikum dankt mit stürmischem Beifall
Westerburg. Ein berührendes sinfonisches Chorkonzert unter dem Titel „… und Frieden auf Erden …“ erklang am Volkstrauertag in der Christkönigskirche Westerburg. Im Gedenken an den Beginn der beiden Weltkriege vor 75 und 100 Jahren spannte es den Bogen von der menschlichen Klage über Tod und Gewalt bis hin zur inständigen Hoffnung. Anliegen war, nicht im Gedenken zu verharren, sondern den Blick hin in das Heute zu weiten, wo Sterben von Menschen durch Krieg und Gewalt tägliche Realität im aktuellen Weltgeschehen ist.
Das Konzert war eine emotionale Herausforderung: Den Zuhörern wurde zugemutet, sich der künstlerischen Umsetzung von Kriegsschrecken und Elend, Gewalt und Leid auszusetzen. Christoph Rethmeier gelang es, den Konzertabend zum Gesamtkunstwerk werden zu lassen. Der Idee, mit Musik und Texten den Opfern eine Stimme zu geben, im gemeinsamen Klagen die Erinnerung wach zu halten – auch als Mahnung für die Gegenwart und Zukunft sind die Solisten, der Dekanatschor Vox Humana und das Neue Rheinische Kammerorchester und Anna Söhngen (Textrezitation) auf beeindruckende Weise gerecht geworden.
Schon bevor die ersten Töne erklangen, wurden die Namen von Menschen aus der Region verlesen, die Opfer der Kriege geworden waren. Dann eröffnete die „Maurerische Trauermusik“ für Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart das Konzert. Die Trauer tönte in dunklen Mollklängen, die sich am Ende in ein strahlendes Dur verwandelten. Während die Instrumentalisten, die durch Ausdrucksstärke und technische Brillanz beeindruckten, musizierten, erhoben sich einige Chorsänger nach und nach aus den Zuschauerreihen und schritten nach vorne. Sinnbildlich wurde so das Publikum mit auf die Bühne geholt, wurde selbst zum Akteur. Wie packend die Dramaturgie des Konzertes war, zeigte sich auch daran, dass zwischen den Stücken gespannte Ruhe herrschte, in welcher die Zuhörer feinfühlig auf Applaus verzichteten.
Mit dem modernen Stück „Requiem für einen polnischen Jungen“ nach Texten von Opfern des Faschismus, 1997 von Dietrich Lohff komponiert, folgte ein Werk, dessen Expressivität sich wohl keiner entziehen konnte. Ein Bravo galt dabei sowohl dem Dirigenten als auch der Mezzosopranistin Margit Diefenthal, dem Chor und Orchester – und vor allem auch dem 14-jährigen Limburger Domsingknaben Peter Schäfer. Beendet wird das Werk mit Versen eines unbekannten Verfassers „Ein Jüdisch Kind“, die letzten Worte „Für das. was wir ertragen, ist jede Sprache stumm“ ertönte solo ohne instrumentale Untermalung. Auch Musik verstummt angesichts dessen, was die Kriege der Menschheit an Wunden schlug.
Erlösend folgte im Programm die „Messe de Requiem“ von Gabriel Fauré. Doch auch dabei sollten und konnten sich die Zuhörer nicht beschaulich zurücklehnen und schönen Harmonien folgen, denn den Aussagen des Requiems wurden verstörende Schilderungen aus dem Weltkrieg entgegengestellt. Der Kontrast zu dem klaren, geschulten Gesang von Julia Borchert (Sopran), Rolf A. Scheider (Bass), des Chores und dem Orchester erzeugte eine große Intensität und Spannung. Sie mündete in dem berührenden letzten Stück, dem „Urlicht“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler – bezaubernd innig interpretiert von Margit Diefenthal. Als der letzte Ton verklungen war, verharrten die Zuhörer eine Weile, ließen Musik und Worte in sich nachklingen, bevor sich ein Beifallssturm erhob. Minutenlang dankten sie den Akteuren für dieses außergewöhnliche musikalische Ereignis.
Angela Baumeier, Westerwälder Zeitung, 18.11.2014
Musikalische Friedensbotschaft
Beeindruckendes Kirchenkonzert zum Volkstrauertag
Zu ihrem höchst anspruchsvollen Konzert „Und Frieden auf Erden“ lud das Vox Humana Ensemble am vergangenen Sonntag in die katholische Christkönigkirche nach Westerburg ein. Zu erleben waren neben dem hervorragenden Chor Gesangssolisten und das Neue Rheinische Kammerorchester.
Westerburg. Es ist eine atemlose, bedrückte Stille, die sich nach Dietrich Lohffs „Requiem für einen polnischen Jungen“ im hohen Raum der katholischen Christkönigkirche ausbreitete, als Peter Schäfer, der sehr junge Solist der Limburger Domsingknaben, jene letzten Zeilen vorgetragen hatte. „Für das, was wir ertragen, ist jede Stimme stumm“, lautet das ergreifend authentisch gesungene Zeugnis eines jüdischen Kindes, das der Komponist vertont hat – ohne dass die Musik dem Inhalt des Gedichts ihre Grausamkeit nehmen könnte. Das wehmütige Klagen der Klarinette wird vom traurig warmen Klang des Cellos übernommen, mit dessen Melodie der Knabensopran wundervoll korrespondiert. Dieses großartige Musikerlebnis möchte man verinnerlichen – trotz seiner erschütternden und verstörenden Wirkung. Beeindruckender hätte Dekanatskantor Christoph Rethmeier, dem Neuen Rheinischen Kammerorchester, dem Chor des evangelischen Dekanats Bad Marienberg Vox Humana sowie den Gesangssolisten Peter Schäfer und einer sehr angenehm reif intonierenden Mezzosopranistin Margit Diefenthal dieses Requiem nicht gelingen können.
Mitreißend in diesem Werk sind auch das von Chor und Orchester präsentierte „Totengebet“ mit aufrüttelnden Schlagwerk- und Bläser-Passagen sowie mit zarten, wenngleich harmonisch äußerst ausgewogenen Frauenstimmen des Dekanatschores Vox Humana. „Eine Schwalbe, die ihre Heimat fand und schlafen will“, heißt es da. Und volltönende, besonders bei den Bässen grandios präzise Männerstimmen erwidern, „und ihre Hände, die immer bereit, Dein Werk zu tun“. Auch das von Margit Diefenthal gesungene „Schlaflied für Daniel“ ist hochdramatisch, wenngleich niemals schrill angelegt. Immer bedrohlicher wird diese von einer Mutter beschriebene Fahrt durch Deutschland, die im Konzentrationslager Auschwitz endet. Und je mehr sich der Zug dem Lager nähert, umso kräftiger und unaufhaltsamer rollt das vom Orchester umgesetzte Donnergrollen heran.
Diesem unvergleichbar eindrücklichen Requiem des 1941 geborenen deutschen Komponisten Dietrich Lohff hatte der für die musikalische Gesamtleitung des Konzerts zuständige Christoph Rethmeier Gabriel Faurés „Messe de Requiem“ für Sopran und Baritonsolo, Chor und Orchester entgegengestellt. Gegliedert wurde die pralle Komposition von rezitierten Kriegserlebnisse und –eindrücken, die Anna Söhngen vortrug und deren grausame Quintessenz vielleicht lauten muss: „Das Wissen vom Leben beschränkt sich auf den Tod“ – und muss doch mehr sein, wie der herrlich agierende dynamische Chor mit seinem „Sanctus“ bewies, dem mit „Pie Jesu“ ein milder Sopran-Einschub (Julia Borchert) folgte. Den Solopart des „Libera Me“ übernahm Bassist Rolf A. Scheider.
Eingerahmt wurde das sinfonische Chorkonzert von Wolfgang Amadeus Mozarts herzzerreißender „Maurischer Trauermusik“. Wehklagende Holzbläser rufen den Zuhörer an und setzen ihn dem Spannungsfeld zwischen Trauer und Hoffnung aus. Dramaturgisch unterstrichen wurde diese Musik durch die Chormitglieder: Während die Trauermusik sich verdichtet, schließen sich auch die Reihen der Sänger, die erst nach und nach, so als würden sie in die Musik hineingezogen werden, ihre Plätze einnehmen und den Klangkörper vervollständigen.
An den Abschluss dieses bemerkenswerten Konzerts hatte Christoph Rethmeier Gustav Mahlers „Urlicht“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ gestellt. Diese Komposition für die souveräne Mezzosopranistin Margit Diefenthal und das glänzende Neue Rheinische Kammerorchester wird von Hoffnung und Zuversicht getragen, die das großartige und höchst anspruchsvolle Programm abrundeten.
Anken Bohnhorst-Vollmer, Neue nassauische Presse 17.11.2014