Rossini „Petite Messe solennelle“
„Wenn ein Italiener mit dem lieben Gott italienisch redet…“
Sonntag, 3. Juli 2022, 19 Uhr
Ev. Stiftskirche Gemünden
Gioachino Rossini (1792-1868)
Petite Messe solennelle
für Chor, Solisten, Klavier und Harmonium
Gabriele Hierdeis, Sopran
Birgit Schmickler, Alt
Fabian Kelly, Tenor
Christoph Kögel, Bass
Rüdiger Klein, Klavier
Reinhart Siegert, Harmonium
Vox Humana Ensemble
Dekanatskantor Christoph Rethmeier
„Todsünde des Alters“ begeistert Zuhörer in der Stiftskirche
Vox Humana Ensemble bringt Rossinis Petite Messe Solennelle unter der Leitung von Dekanantskantor Christoph Rethmeier beeindruckend zur Aufführung.
Langanhaltender, großer Applaus und stehenden Ovationen für alle Beteiligten für ein sehr gelungenes und besonderes Konzert.
Gemünden. Der für seine komödiantischen Opern bekannte Gioacchino Rossini schrieb im Alter von 71 Jahren und nach langer kompositorischer Pause eine Messe, die er selbst augenzwinkernd als „Todsünde des Alters“ bezeichnete, sie aber gleichzeitig dem „lieben Gott“ selbst widmete: „Ein bisschen Können, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei denn gepriesen und leite mich ins Paradies“, schrieb er als Geleitwort über seine Partitur.
Dass aber sein Werk genau von diesen beiden Dingen, Können und Herz, sehr viel braucht, bewiesen das Vox Humana Ensemble, Instrumentalisten und Solisten unter Leitung von Dekanatskantor Christoph Rethmeier eindrücklich. Rossinis Werk behält bei aller ernsthaften und hochemotionalen Auseinandersetzung mit dem lateinischen Messtext doch immer die italienische Leichtigkeit und ein ironisches Augenzwinkern. In Gemünden kommt die ursprüngliche Fassung des Komponisten für Kammerchor und vier Solisten, begleitet von Klavier und dem damals sehr beliebten Harmonium, zur Aufführung.
Diese klanglich äußerst reizvolle Instrumentierung lag bei Reinhard Siegert am Harmonium in den besten Händen. Den Mammutpart am Klavier bewältigte Rüdiger Klein sehr facettenreich, beseelt im „Prélude religieux“, italienisch feurig im „Domine Deus“ des Tenors, dramatisch zupackend im Vorspiel zum „Gloria“, dabei aber immer klangschön und aufmerksam in der Begleitung.
Es war das erste Konzert des Vox Humana Ensembles nach der (viel zu langen) Pandemie bedingten Pause. Auf den ersten Blick ist diese Zeit auch an diesem Chor nicht spurlos vorüber gegangen und selbst am Konzertwochenende mussten Chormitglieder Corona bedingt ihre Konzertteilnahme absagen.
Was dieser Chor aber an Klangschönheit, Internationssicherheit und musikalischer Lebendigkeit zu bieten hat, beeindruckt tief und lässt das Vox Humana Ensemble musikalisch dort anknüpfen, wofür der Chor des Evangelischen Dekanats Westerwald über viele Jahre steht. Rethmeier fordert seine Choristen und sie folgen ihm blind. So gelingen die fast Palästrina-artigen Passagen im Kyrie genauso wie die rhythmisch agilen und perlenden Fugen. Im bewegenden und dramatischen „Agnus Dei“ der Altistin Birgit Schmickler fällt der Chor schließlich breit aussingend, aber immer klangschön in das große „Dona nobis pacem“ ein.
Unter den von Rethmeier verpflichteten Solisten gefällt besonders die klare Stimme des Tenors Fabian Kelly. Das gefürchtete „Domine Deus“ singt er mit bestechender Leichtigkeit und leuchtender Stimme. Doch auch seine sängerischen Mitstreiter*innen waren ihm ebenbürtig: Christoph Kögels hell tembrierter Bass findet sehr intime Momente und lässt sich vom Gestus des „Quoniam“ nicht zu Pathos verleiten. Die ebenfalls international renommierte Sopranistin Gabriele Hierdeis bestreitet die Sopran-Partie absolut souverän mit großem musikalischen Gespür für Rossinis Klangsprache und setzt nicht zuletzt mit leuchtenden Bögen im eingeschobenen „O Salutaris“ Glanzpunkte.
Als die letzten Töne des anrührenden „Agnus Dei“ und damit dem Ende von Rossinis „Petite Messe Solennelle“ in der Stiftskirche in Gemünden verklingen herrscht zunächst eine gute Weile absolute Stille, in der man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Dann schließlich löst sich die emotionale Spannung des Gehörten und Erlebten in langanhaltendem, großem Applaus und stehenden Ovationen für alle Beteiligten für ein sehr gelungenes und besonderes Konzert voller tiefer Emotionen und Hoffnungsbotschaft. Ein sichtlich bewegter Dekanatskantor Christoph Rethmeier bedankte sich am Ende bei all seinen Mitstreitern und beim Publikum. Deutlich spürbar, was es Musiker*innen in diesen Tagen bedeutet, wieder konzertieren zu dürfen.
Edda Sevenich