Dvořák „Stabat Mater“
Sonntag, 26. November 2023, 18 Uhr
Katholische Kirche in Höhn
Antonín Dvořák (1841-1904)
Stabat Mater op. 58
Vertonung des gleichnamigen mittelalterlichen Gedichtes
für Soli, Chor und Orchester
Gabriele Hierdeis, Sopran
Margit Diefenthal, Alt
Andreas Wagner, Tenor
Emanuel Fluck, Bass
Neues Rheinisches Kammerorchester Köln
Vox Humana Ensemble
Dekanatskantor Christoph Rethmeier
Vox-Humana-Ensemble interpretiert „Stabat Mater“ meisterhaft
Konzert in Höhn spannt musikalischen Bogen von der Trauer hin zur Hoffnung
Westerwaldkreis. Am Anfang steht ein einsames Fis. Der lang gezogene Ton eröffnet das rund anderthalbstündige „Stabat Mater“, das Werk Antonín Dvořáks, das rund 170 Gäste in der Katholischen Kirche „Mariä Heimsuchung“ in Höhn erleben. Das Vokalensemble Vox Humana, das Neue Rheinische Kammerorchester Köln sowie vier hochkarätige Solisten nehmen die Gäste mit auf dieses besondere Erlebnis, in dem sich eine einzelne Note in ein tiefes, emotionales Musikereignis verwandelt.
„Stabat Mater“ vertont in zehn Sätzen eine mittelalterliche Dichtung. Sie beschreibt den Schmerz der Mutter Jesu über die Leiden ihres Sohnes, aber auch die Hoffnung auf die Auferstehung. Christoph Rethmeier, Dekanatskantor des Evangelischen Dekanats Westerwald, gelingt es in Höhn, die Tiefe des Werks, dessen Spannung zwischen Trauer und Vertrauen abzubilden. Er leitet das Ensemble mit ruhigen, fließenden Gesten und formt aus den Vokalisten und Instrumentalisten einen homogenen Klangkörper, der sich in der angenehmen Akustik der katholischen Kirche angemessen entfaltet. Rasche Melodieläufe sind selten; die dunklen, getragenen Moll-Akkorde prägen den Duktus von „Stabat Mater“. Manchmal lösen sich die Harmonien in ein hoffnungsvolles Dur auf. Doch gerade der Beginn des Werks nimmt sich viel Zeit zum Trauern.
Vom Dirigenten und den Musizierenden verlangt das ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Rethmeier wird diesem Anspruch des Werks gerecht. Seinem Dirigat war jede Nuance der Komposition abzulesen. Ebenso begeisternd die vier Gesangssolisten: Gabriele Hierdeis (Sopran), Margit Diefenthal (Alt), Emanuel Fluck (Bass) und der kurzfristig eingesprungene Tenor Bohyeon Mun interpretieren die Worte der Trauer, des Schmerzes und der Hoffnung mitfühlend; in den Ensemblepassagen harmonieren ihre Stimmen und verschmelzen zu einem homogenen, berührenden Gesamtklang.
Das Orchester stützt die Vokalisten und den Chor, statt sie zu dominieren und interpretiert Dvořáks Werk ebenso gefühlvoll. Hervorzuheben sind die in besonderer Weise geforderten und hervorragend musizierenden Holzbläser.
Das Vox-Humana-Ensemble, der Chor des Evangelischen Dekanats Westerwald, ist für seine anspruchsvollen Konzerte und für eine kirchliche Chorarbeit auf hohem Niveau bekannt. Was der Chor an diesem Abend leistet, geht aber nochmal darüber hinaus und ist dem hohen sängerischem und musikalischem Anspruch und der Größe des üppigen Werks mehr als gewachsen: So meistert das Ensemble das facettenreiche, verschachtelte Werk, in dem jede Chornummer seinen musikalisch eigenen, besonderen Anspruch hat, mehr als souverän. Besonders beeindruckend auch, wenn es die Passagen der Solisten im klanglichen Zwiegespräch einfühlsam beantwortet. Ein musikalischer Dialog, der zu Herzen geht.
Dieses Musizieren auf Augenhöhe ist für ein Laienensemble freilich nicht selbstverständlich, und es bedarf einer intensiven Probenarbeit und eines sängerisch und musikalisch gut geschulten Chores, damit ein Werk wie „Stabat Mater“ angemessen interpretiert wird. „Wir haben schon Anfang des Jahres mit den Proben begonnen“, sagt Christoph Rethmeier nach dem Konzert. „Das Stück ist sängerisch technisch und konditionell sehr anspruchsvoll: Die Chorpassagen sind oftmals komplex und detailreich und bedürfen einer großen dynamischen Flexibilität und vorausschauendem Singens. Für den Alt und den Sopran ist es zudem oft sehr hoch, und alle Sänger müssen ihre Stimme wirklich beherrschen. Außerdem haben wir viel Zeit investiert, dem musikalisch interpretatorischen Anspruch eines jeden Stücks des Chors gemäß der Komposition gerecht zu werden, damit der Übergang vom düsteren Beginn zum hoffnungsvollen Ende hin gelingt. Diesen Bogen zu meistern, ist bei ,Stabat Mater‘ eine der großen musikalischen Herausforderungen.“
Die Mühen haben sich gelohnt. Der Abend mit dem Vox-Humana-Ensemble endet, wie er begonnen hat: Das Motiv des Anfangs taucht abermals auf, und am Ende verschwindet die Musik nach einem monumentalen und Chor und Solistenensemble nochmal alles abverlangenden „Amen“ wieder ganz leise in der Ewigkeit – dorthin, wo das Fis herkam. Danach herrscht in der Kirche sehr lange Stille. Und dann braust langanhaltender Applaus auf – für einen berührenden Abend, der noch lange nachklingt. (bon)